Unsere gemeinsame digitale Zukunft
Die Digitalisierung geht mit immer weiter steigenden Energie- und Ressourcenverbräuchen sowie globalen Produktions- und Konsummustern einher, die die Ökosysteme noch massiver belasten. Die technischen Innovationsschübe übersetzen sich nicht automatisch in Nachhaltigkeitstransformationen, sondern müssen eng mit Nachhaltigkeitsleitbildern und -politiken gekoppelt werden.
Übersicht
Der Bericht „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ macht deutlich, dass Nachhaltigkeitsstrategien und -konzepte im Zeitalter der Digitalisierung grundlegend weiterentwickelt werden müssen. Nur wenn der digitale Wandel und die Transformation zur Nachhaltigkeit konstruktiv verzahnt werden kann es gelingen, Klima- und Erdsystemschutz sowie soziale Fortschritte menschlicher Entwicklung voranzubringen. Ohne aktive politische Gestaltung wird der digitale Wandel den Ressourcen- und Energieverbrauch sowie die Schädigung von Umwelt und Klima weiter beschleunigen. Daher ist es eine vordringliche politische Aufgabe Bedingungen dafür zu schaffen, die Digitalisierung in den Dienst nachhaltiger Entwicklung zu stellen.
Digitalisierung in den Dienst globaler Nachhaltigkeit stellen
„Die“ Digitalisierung wird oft als gewaltiger Umbruch bezeichnet, der auf unsere Gesellschaften zukommt und dem es sich anzupassen gilt. Dieser Lesart setzt der WBGU entgegen, dass die Digitalisierung so gestaltet werden muss, dass sie als Hebel und Unterstützung für die Große Transformation zur Nachhaltigkeit dienen und mit ihr synchronisiert werden kann. Eine zentrale Aufgabe der kommenden Jahrzehnte sein muss, neue technologische Möglichkeiten wie Big Data, künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge für eine global nachhaltige Entwicklung nutzbar zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass Risiken wie ein beschleunigter Ressourcen- und Energieverbrauch, Möglichkeiten der Totalüberwachung, inadäquat angewandte algorithmische Entscheidungsfindung oder Scoring-Verfahren und nicht zuletzt eine wachsende digitale Kluft eingehegt werden können.
Ein normativer Kompass für die digitalisierte Nachhaltigkeitsgesellschaft
Das Digitale Zeitalter bringt neue Herausforderungen für den Schutz der Grund- und Menschenrechte mit sich. Im Digitalen verändern sich die Schutzräume und Ausübungsmöglichkeiten dieser Rechte, so dass hier neue Vergewisserungen erforderlich sind. Die Menschenwürde ist dabei der zentrale unveränderliche Referenzpunkt. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde dient in diesem Gutachten explizit als Orientierungshilfe für die nachhaltige Gestaltung der Digitalisierung. Eng damit verknüpft ist die Sicherstellung der Gemeinwohlorientierung und die Einbettung der digitalen Revolution in eine Strategie nachhaltiger Entwicklung (normativer Kompass). Dafür sind geeignete Rahmensetzungen und Grenzziehungen notwendig. Ohne aktive Gestaltung birgt der globale digitale Wandel zudem das Risiko, die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit weiter zu verstärken.
Schauplätze des digitalen Wandels
Angesichts der großen thematischen Breite des Gutachtens veranschaulicht der WBGU an ausgewählten Beispielen – den „Schauplätzen“ (Kapitel, Übersicht) – Stand, Perspektiven und Herausforderungen der Digitalisierung im Dienst der Nachhaltigkeitstransformation. Dabei geht es zum einen um Themen an der direkten Schnittstelle zwischen Umwelt und Digitalisierung, z. B. Energie- und Ressourcenverbrauch sowie Landnutzung. Hinzu kommen Schauplätze, die das Zusammenspiel von Digitalisierung und gesellschaftlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit ausleuchten, z. B. Arbeit der Zukunft, digital unterstützte Mobilität. Schließlich werden Themen angesprochen, die derzeit zwar bereits in der Debatte sind, aber erst längerfristig gesellschaftliche Auswirkungen haben werden (z. B. Entwicklung eines Weltbewusstseins). Aus diesen thematischen „Tiefbohrungen“ resultiert nicht nur konkretes Material für Handlungs- und Forschungsempfehlungen, sondern sie sind auch eine der wesentlichen Quellen, aus denen sich die Perspektive auf das Themenfeld insgesamt und die Botschaften des WBGU speisen.
Dynamiken des Digitalen Zeitalters
Das digitale Zeitalter wird durch drei Dynamiken geprägt:
Kurzfristig geht es darum, die Digitalisierung mit den im Jahr 2015 vereinbarten globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs, Agenda 2030) sowie den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang zu bringen: neue Technologien sollten gezielt genutzt werden, um Menschen Zugang zu Basisdienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung, Energie und Informationen zu verschaffen und Umweltzerstörung zu verhindern.
Zudem müssen bereits jetzt Vorkehrungen getroffen werden, um mit gesellschaftlichen Umbrüchen umzugehen, die mittelfristig mit der Digitalisierung einhergehen: Beispiele sind der absehbare radikale Strukturwandel auf den Arbeitsmärkten durch fortschreitende Automatisierung oder eine hochgradig vernetzte Weltgesellschaft. Beide Entwicklungen müssen auf das Gemeinwohl hin ausgerichtet werden.
Schließlich geht es auch darum, sich auf langfristig mögliche Veränderungen vorzubereiten. So sind z.B. bei der Mensch-Maschine-Interaktion bereits heute Risiken für die menschliche Persönlichkeit und Integrität erkennbar. Dies betrifft etwa sensible Neurodaten oder Gehirn gesteuerte Neuroprothesen, bei denen ethische Aspekte bislang kaum berücksichtigt werden.
Empfehlungen
UN-Gipfel „Nachhaltigkeit im Digitalen Zeitalter“ anberaumen
Deutschland und die EU sollten sich für einen UN-Gipfel zum Thema „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ im Jahr 2022 einsetzen (30 Jahre nach UNCED in Rio). Zentrales Thema des Gipfels sollte die Verständigung über notwendige Weichenstellungen sein, um eine digital unterstützte, nachhaltige Entwicklung zu erreichen und Risiken des digitalen Wandels zu vermeiden. Ein zentrales Ergebnis könnte eine Charta, wie im Gutachten vom WBGU initial entworfen, sein, in der die für nachhaltige Gestaltung des Digitalen Zeitalters grundlegenden Themen benannt und politische Ansatzpunkte identifiziert werden. Zur Vorbereitung des vorgeschlagenen UN-Gipfels empfiehlt der WBGU die Einsetzung einer „Weltkommission für Nachhaltigkeit im Digitalen Zeitalter“ nach dem Vorbild der „Brundtland-Kommission“, die Ende der 1980er Jahre einen weltweiten Diskurs über Nachhaltigkeit auslöste.
Europäischer Weg zur digitalisierten Nachhaltigkeitsgesellschaft
Für die Europäische Union bietet sich mit einem eigenen Digitalisierungsmodell die Chance, sich international als nachhaltiger Lebens- und Wirtschaftsraum zu profilieren. Vor diesem Hintergrund sollte sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 dafür einsetzen, eine gemeinsame europäische Vision zu entwickeln und nachhaltige Entwicklung als Leitbild für europäische Digitalisierungspolitiken zu verankern. Mit der Ausarbeitung einer „EU-Strategie für Nachhaltigkeit im Digitalen Zeitalter“ würde sich zudem die Möglichkeit öffnen, neue Anreize und Standards mit internationaler Strahlkraft zu verankern. Nachhaltigkeit, faire Produktionsbedingungen, Privatheit und Cybersicherheit in der Technikgestaltung und im Betrieb sollten zentrale handlungsleitende Prinzipien eines künftigen europäischen Digitalisierungsmodells werden. Damit könnte die EU zudem eine Pionierrolle für die Weiterentwicklung der Agenda 2030 einnehmen und der globalen digitalen Entwicklung neue Impulse geben.
Mehr belastbares Wissen über die Wirkungen digitaler Technologien schaffen
Einschätzungen über die Auswirkungen der Digitalisierung, etwa auf den Verbrauch seltener Erden, sind oft widersprüchlich und mit hoher Unsicherheit verbunden. Gleichzeitig sind mit dem Instrumentarium, das die Digitalisierung bietet, umfangreiche Beobachtungs- und Analyseaufgaben möglich. Wissenschaft steht vor der Aufgabe, mehr belastbares Wissen über die Wirkungen digitaler Technologien als Basis für gesellschaftspolitische Diskurse zu schaffen und sie auch über digitale Gemeingüter der Weltgemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Zudem sollte öffentliche wie private Technologieforschung Fragen von Ethik und Nachhaltigkeit systematisch berücksichtigen.
Digitales Momentum für die UN-Nachhaltigkeitsagenda im 21. Jhd.
Ein europäischer Weg in unsere gemeinsame digitale Zukunft
Digitalisierung: Worüber wir jetzt reden müssen
Report „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“: Kernaussagen
#SustainableDigitalAge – Illustriertes Fact Sheet
Digitalisierung in den Dienst nachhaltiger Entwicklung stellen
„Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ – Entwurf einer Charta
Unsere gemeinsame digitale Zukunft
PDF- und ebook-Downloads
Gutachten: Unsere gemeinsame digitale Zukunft
- Download: Vollversion (10,7 MB)
- Download: Zusammenfassung (PDF, navigierbar, 4 MB)
- Download: eBook (epub 2 MB)
Flagship Report: Towards our Common Digital Future
- Download: Full Version (PDF, 11 MB)
- Download: Summary (PDF, navigable, 4 MB)
- Download: eBook (epub 2 MB)
Expertisen
- Download: Prof. Dr. Wolfram Burgard (Technische Fakultät, Autonome Intelligente Systeme der Universität Freiburg): Künstliche Intelligenz, 2018. (1,9 MB)
- Download: Prof. Dr. Dr. hc. mult. Niels Birbaumer (Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen): Technologien und Visionen der Mensch-Maschine-Entgrenzung, 2018. (1,9 MB)
- Download: Prof. Dr. Jeanette Hofmann (Wissenschaftszentrum Berlin – WZB): Internet Governance, 2018. (2,2 MB)
- Download: Dr. A. R. Köhler, Jens Gröger und Ran Liu (Öko-Institut e.V., Freiburg): Kurzgutachten Energie- und Ressourcenverbräuche der Digitalisierung, 2018. (6,1 MB)
- Download: Prof. em. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Paul J. Kühn (Universität Stuttgart, Institut für Kommunikationsnetze und Rechnersysteme – IKR): Informationstechnische Gestaltung einer nachhaltigen Digitalisierung, 2018. (1,2 MB)
- Download: Constanze Kurz und Frank Rieger (Chaos Computer Club e. V. – CCC, Berlin): Netzpolitische Handlungsoptionen für eine nachhaltige Digitalisierung, 2018. (1,1 MB)
- Download: Dr. Reinhard Messerschmidt Diskursanalyse der Empfehlungslandschaft zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit 2017–2018 (3,3 MB)