Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation
Der WBGU begründet in diesem Bericht die dringende Notwendigkeit einer post-fossilen Wirtschaftsweise, zeigt zugleich die Machbarkeit der Wende zur Nachhaltigkeit auf und präsentiert zehn konkrete Maßnahmenbündel zur Beschleunigung des erforderlichen Umbaus.
Übersicht
Damit die Transformation gelingen kann, muss ein Gesellschaftsvertrag zur Innovation durch einen neuartigen Diskurs zwischen Regierungen und Bürgern innerhalb und außerhalb der Grenzen des Nationalstaats geschlossen werden. Nur mit einem tiefen gemeinsamen Verständnis von klimaverträglicher Wertschöpfung und nachhaltiger Entwicklung lässt sich die globale Krise der Moderne überwinden. Mit dem Gutachten zeigt der WBGU Perspektiven für die Zukunft nachhaltigen Wirtschaftens auf, die nach dem atomaren Desaster von Fukushima erst Recht auf der Agenda der nationalen und internationalen Politik stehen müssen.
Ein neuer Gesellschaftsvertrag
Die Transformation zur nachhaltigen Gesellschaft erfordert einen modernen Orientierungsrahmen für ein „gutes Zusammenleben“ von bald neun Milliarden Menschen mit sich und der Natur - einen neuen „Contrat Social“. Ein solcher, weitgehend virtueller Gesellschaftsvertrag beruht nicht zuletzt auf dem Selbstverständnis jedes Einzelnen als verantwortungsbewusstem Erdenbürger. Dieser Kontrakt wird auch zwischen Generationen geschlossen.
Herausforderung Klimaverträglichkeit
Bei der Transformation zur Nachhaltigkeit kommt dem Klimaschutz eine besondere Bedeutung zu, denn er ist eine conditio sine qua non für nachhaltige Entwicklung: Klimaschutz allein kann zwar den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für die Menschheit nicht sichern, aber ohne wirksamen Klimaschutz entfallen absehbar essentielle Entwicklungsmöglichkeiten der Menschheit.
Klimaschutz in drei zentralen Transformationsfeldern
Der Übergang zur Klimaverträglichkeit im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung betrifft vor allem die folgenden drei Hauptpfeiler der heutigen Weltgesellschaft, an denen die Politik zur Transformation ansetzen sollte: Erstens, die Energiesysteme unter Einschluss des Verkehrssektors, von denen die gesamte Wirtschaft abhängt und die derzeit wegen der hohen Entwicklungsdynamik der Schwellenländer vor einem neuen Wachstumsschub stehen. Der Energiesektor verursacht derzeit etwa zwei Drittel der Emissionen langlebiger Treibhausgase.
Zweitens, die urbanen Räume, die derzeit für drei Viertel der globalen Endenergienachfrage verantwortlich sind und deren Bevölkerung sich bis 2050 auf 6 Mrd. verdoppeln wird.
Drittens, die Landnutzungssysteme (der Land- und Forstwirtschaft einschließlich der Waldrodungen), aus denen derzeit knapp ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen stammen. Die Landnutzung muss nicht nur die Ernährung für eine weiter wachsende und anspruchsvoller werdende Weltbevölkerung sichern, sondern auch Nachfragesteigerungen wegen der zunehmenden Nutzung von Bioenergie und biobasierten Rohstoffen decken.
Transformationskonzept und Umsetzungsstrategie
Die bisherigen großen Transformationen der Menschheit waren weitgehend ungesteuerte Ergebnisse evolutionären Wandels. Die historisch einmalige Herausforderung bei der nun anstehenden Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft besteht darin, einen umfassenden Umbau aus Einsicht, Umsicht und Voraussicht voranzutreiben.
Transformationsverständnis des WBGU
Der WBGU begreift den nachhaltigen weltweiten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft als „Große Transformation“. Auf den genannten zentralen Transformationsfeldern müssen Produktion, Konsummuster und Lebensstile so verändert werden, dass die globalen Treibhausgasemissionen im Verlauf der kommenden Dekaden auf ein absolutes Minimum sinken und klimaverträgliche Gesellschaften entstehen können. Das Ausmaß des vor uns liegenden Übergangs ist kaum zu überschätzen. Er ist hinsichtlich der Eingriffstiefe vergleichbar mit den beiden fundamentalen Transformationen der Weltgeschichte: der Neolithischen Revolution, also der Erfindung und Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht, sowie der Industriellen Revolution, die von Karl Polanyi (1944) als „Great Transformation“ beschrieben wurde und den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft beschreibt.
Die Dekarbonisierung der Energiesysteme ist machbar
Der wichtigste Ansatzpunkt für die Transformation zur Nachhaltigkeit ist die Reduktion der CO₂-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger. Neben der Dekarbonisierung ist das zweite große Ziel eines Umbaus der Energiesysteme, die weltweite Energiearmut zu überwinden.
Handlungs- und Forschungsempfehlungen
Der Ausstoß von Treibhausgasen erfolgt überwiegend durch die Energiewirtschaft und die Landnutzung, wobei die dramatische globale Urbanisierung eine entscheidende Rolle spielt. Damit sind drei zentrale Transformationsfelder benannt, wo Strategien zur Senkung von Emissionen schnell und umfassend greifen müssen. In diesem Zusammenhang empfiehlt der WBGU detailliert beschriebene Maßnahmenbündel, die besonders für die Beschleunigung und Verbreiterung des Übergangs zur Nachhaltigkeit geeignet sind.
Zehn Maßnahmenbündel mit großer strategischer Hebelwirkung
- Um eine Dekarbonisierung weltweit voranzutreiben, sollte der Staat seine Rolle als Gestalter bewusst wahrnehmen. Dies ist jedoch nur zu legitimieren, wenn gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern bessere Partizipationsmöglichkeiten eingeräumt werden.
- Das Treibhausgas CO₂ sollte möglichst rasch und global mit einem angemessenen Preis belegt werden.
- Eine europäische Energiepolitik, die auf eine vollständige Klimaverträglichkeit des Energiesystems bis spätestens 2050 zielt, sollte schleunigst entwickelt und umgesetzt werden. Sie muss Partnerschaften mit Nordafrika gezielt fördern.
- Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien sollten weltweit eingeführt werden.
- Entwicklungspolitik sollte insbesondere darauf zielen, dass die 2,5 bis 3 Mrd. Menschen, die heute in Energiearmut leben, Zugang zu nachhaltigen Energien bekommen.
- Große Anstrengungen sollten unternommen werden, um die sich beschleunigende weltweite Urbanisierung nachhaltig zu gestalten.
- Die Landnutzung sollte klimaverträglich gestaltet werden, insbesondere die Agrikultur und die Waldwirtschaft.
- Zur Finanzierung der Transformation und der erforderlichen massiven Investitionen sollten verstärkt neue Geschäftsmodelle herangezogen werden, die helfen, vorhandene Investitionsbarrieren abzubauen.
- In der internationalen Klimapolitik sollte weiterhin auf ein ambitioniertes globales Abkommen hingearbeitet werden. Zugleich muss die multilaterale Energiepolitik die weltweite Verbreitung klimaverträglicher Technologien fördern.
- Die Vereinten Nationen sollten in die Lage versetzt werden, wirksame Beiträge zur Transformation zu leisten. Entwicklungsorganisationen sollten zu Transformationsagenturen für Nachhaltigkeit umgebaut werden. Die G 20 sollten einen Fahrplan für wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der Grenzen des planetarischen Systems erarbeiten.
Die Wissensgesellschaft im Transformationsprozess
Im Rahmen der erforderlichen Transformation kommen Forschung und Bildung zentrale Rollen zu, denn die Einsicht in die Notwendigkeit des Umbaus der Weltwirtschaft ist primär wissenschaftlich begründet. Die Gesellschaft sollte sich daher zu Handlungen entschließen, die nicht als direkte Reaktion auf unmittelbar erfahrbare Anlässe, sondern vorausschauend und vorsorgend motiviert sind. Die Diskussion zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sollte zu diesem Zweck wesentlich besser strukturiert, verbindlicher und lebendiger gestaltet werden, um eine diskursive und dennoch konstruktive Auseinandersetzung um die besten Wege zur Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Partizipativ angelegte Forschung und Bildung können hier entscheidende Beiträge leisten.
Die Große Transformation
Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation
Energiewende in der EU vorantreiben
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Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ erscheint zu einer Zeit, in der die Völker dieser Welt sich zunehmend zu einer nachhaltigen und klimaverträglichen Zukunft bekennen. Die Studie zeigt, dass dies nur gelingen kann, wenn Staaten, Unternehmen und die gesamte Zivilgesellschaft gemeinsam die richtigen Weichen stellen und alle Mittel der regionalen, nationalen und globalen Zusammenarbeit ausschöpfen. Dafür verdient dieses Buch breite Beachtung.
Christiana Figueres
Exekutivsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) (2010–2016)
"The geopolitical world is changing beyond recognition. The challenge of ensuring that in the future people can live better than today, while doing so within the Planetary Boundaries has yet to be met. Markets and the environment are increasingly globalized. Social protection and the search for equity are not, though there are interesting signs of change. There are many international institutions, but few are global. We have known for some time the necessary individual solutions required for the transition. Now, the WBGU report `World in Transition – A Social Contract for Sustainability´ offers us extremely interesting ideas on how we can bring all this together collectively through a new social contract that is global, equitable and green, and requires a new kind of global citizenship: the first steps toward a global political project for global sustainability."
Janos Pasztor, Executive Secretary UN Secretary-General's High-level Panel on Global Sustainability 2010-12
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Externe Expertisen werden vom WBGU in Aufrag gegeben, die Verantwortung für die Inhalte liegt bei den AutorInnen.
- Download: Prof. Dr. Rolf Peter Sieferle (Universität St. Gallen, Schweiz): „Lehren aus der Vergangenheit für die Transformation zu einer klimafreundlichen Gesellschaft“ (PDF 1,8 MB)
- Download: Prof. Dr. Stephan Leibfried, Prof. Dr. Frank Nullmeier und Prof. Dr. Gerd Winter (Universität Bremen): „Möglichkeiten der globalen Steuerung und globalen beschleunigten Umgestaltung hin zu einer klimaverträglichen Gesellschaft“ (PDF 2,7 MB)
- Download: Ecologic – Gesellschaft für Internationale und Europäische Umweltforschung, Berlin: „Analyse der Konjunkturprogramme zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise aus Umweltsicht“ (PDF 2,1 MB)