Presseerklärung17.06.1996, Bremerhaven

Weltwüstentag: "Vom Winde verweht und den Bach hinunter"

Die weltweit zu beobachtende Desertifikation und Degradation von Böden wird nach Ansicht des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in den nächsten zwei bis drei Dekaden sehr viel deutlicher zu spüren sein als die Folgen des globalen Klimawandels.

Diese schleichenden Prozesse haben zum Teil katastrophale und irreversible Folgen für Mensch und Natur.

Vom Winde verweht und den Bach hinunter: Die Wüstenbildung gefährdet große Teile der Menschheit

Folgen der Wüstenbildung eilen dem Klimawandel voraus / Globale Ernährungssicherung bedroht / Wüstenkonvention wichtiger Beitrag zur Problemlösung

Desertifikation und Bodendegradation bedrohen die Lebensgrundlagen einer stetig zunehmenden Zahl von Menschen. Für das Jahr 2010 prognostiziert die FAO, daß allein in Afrika südlich der Sahara rund 300 Mio. Menschen ohne genügend Nahrungsmittel leben werden. Insgesamt sind weltweit heute 780 Millionen Menschen, d.h. jeder siebte Erdbewohner, unterernährt. Im Jahr 2025 leben etwa 8 Mrd. Menschen, das sind 2.3 Mrd. mehr als heute. Soll für diese Menschen ein Ernährungsstatus erreicht werden, wie dies in den Industrieländern der Fall ist, müßten weltweit die Erträge drastisch erhöht werden. Gegenwärtig erleben wir jedoch das Gegenteil. In diesem Jahr hat der Weltgetreidevorrat seinen tiefsten Stand seit Jahrzehnten erreicht, d.h. die Ertragsteigerungen, die in den letzten Jahrzehnten mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten konnten, stagnieren jetzt. Folgen sind eine Verdoppelung des Getreidepreises auf dem Weltmarkt und ein Ausfuhrstop für europäisches Getreide. Betroffen sind v.a. die Ärmsten der Armen.

Ein wesentliche Ursache für die Stagnation der Erträge ist die zunehmende Ausdehnung der Kulturflächen auf ungeeignete Böden, die bereits nach wenigen Jahren vom Wind verweht oder durch Niederschläge weggeschwemmt werden. Zurück bleiben weitgehend verwüstete Flächen, die nicht mehr genutzt werden können. Auch die Übernutzung der Vegetation durch Beweidung und Brennholzgewinnung tragen zur Desertifikation bei. 

Für Forschung und Politik bedeutet diese im globalen Maßstab bedrohliche Entwicklung eine große Herausforderung. Zum Beispiel besteht immer noch erheblicher Dissens, was unter Desertifikation zu verstehen ist und in welchem Maß sie fortschreitet. Daher ist weitere Forschung zur Erfassung, Prognose und Bewertung von Desertifikation unerläßlich. Auch die Frage nach der Irreversibilität von Desertifikationsprozessen ist ungeklärt. Des weiteren bedarf es nach Ansicht des WBGU verstärkter Anstrengungen zur Entwicklung angepaßter Bekämpfungsprogramme. Dies erfordert je nach Region und soziokulturellem Hintergrund sehr unterschiedliche Lösungen.

Politisch ist die internationale Staatengemeinschaft zu größeren Anstrengungen und zur Mithilfe aufgefordert, da die Lösung der Probleme häufig lokal nicht möglich ist. Die 1994 verabschiedete internationale Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung stellt einen Testfall für die völkerrechtliche Lösung eines globalen Problemes dar, das durch die Akkumulation von regionalen bzw. lokalen Problemen enstanden ist. Zu dieser Konvention hat die Bundesregierung bereits einen wichtigen Beirag geleistet, indem sie sich für den Sitz des Konventionssekretariats beworben hat. Jetzt kommt es darauf an, daß die OECD-Länder dieses Abkommen rasch ratifizieren.