Presseerklärung10.12.2005, Berlin/Montreal

Kleiner Hoffnungsschimmer aus Montreal – nun Blockade überwinden

Abschluss der Klimakonferenz

Der WBGU begrüßt, dass in Montreal Verhandlungen über neue Reduktionsverpflichtungen für die Zeit nach 2012 für jene Industriestaaten beschlossen wurden, die das KiotoProtokoll ratifiziert haben.

Diese Staaten können den Klimawandel aber nicht alleine bremsen. Daher haben die zusätzlich beschlossenen Gespräche über die langfristige Zusammenarbeit aller Länder im Umgang mit dem Klimawandel zentrale Bedeutung. Allerdings sind Verhandlungen über die tatsächliche Einbindung weiterer Länder in ein verpflichtendes Klimaregime nicht in Sicht. Es wird in den Gesprächen deshalb vor allem darum gehen, Entwicklungs- und Schwellenländer grundsätzlich für den Klimaschutz zu gewinnen. Durch Technologiepartnerschaften sollten diese Länder in die Lage versetzt werden, möglichst bald ihre Treibhausgasemissionen zu stabilisieren und sich auf längere Sicht zur Begrenzung ihrer Emissionen zu verpflichten. Völlig unklar blieb, ob und wann die USA sich zur Reduktion ihrer Emissionen verpflichten. Die internationale Staatengemeinschaft sollte sich jedoch nicht durch einzelne Blockierer aufhalten lassen. Solange eine Umorientierung in der Klimapolitik der US-Regierung nicht zu erwarten ist, empfiehlt der WBGU die verstärkte Zusammenarbeit mit den klimapolitisch fortschrittlichen US-Bundesstaaten sowie die Unterstützung weltweiter Städtebündnisse für den Klimaschutz. Um eine gefährliche Änderung des globalen Klimas zu vermeiden, müssen die globalen Emissionen bis zum Jahr 2050 halbiert werden. Daher sollte jeder Zeitverlust in den weiteren Verhandlungen vermieden werden. Es kommt jetzt darauf an, möglichst schnell ehrgeizigere Reduktionsziele zu vereinbaren, so dass im Jahr 2012 die zweite Verpflichtungsperiode in direktem Anschluss beginnen kann.

Auswirkungen des Klimawandels sind bereits deutlich sichtbar

Die globale Erwärmung ist allenthalben spürbar: 2005 wird voraussichtlich das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen vor 150 Jahren sein. Die bislang wärmsten Jahre waren 1998, 2001, 2002, 2003 und 2004. Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen gab es im Atlantik so viele tropische Wirbelstürme, noch nie wuchsen so viele zur vollen Hurrikanstärke heran, und noch nie gab es gleich drei Hurrikane der stärksten Kategorie. Zudem bewegten sich erstmals zwei Tropenstürme auf Europa zu. Ein Zusammenhang zwischen der Stärke der Hurrikane und der globalen Erwärmung ist wahrscheinlich.

2°C-Leitplanke völkerrechtlich festschreiben

Im Rahmen der Fortentwicklung des internationalen Klimaregimes sollte die Überschreitung der 2°C-Leitplanke verbindlich als „gefährliche Klimaänderung“ gekennzeichnet werden. Wenn die global gemittelte Temperatur um mehr als 2°C steigt, dann dürften die Folgen des Klimawandels kaum noch beherrschbar sein. Dadurch könnten großräumige, schwer umkehrbare Prozesse im Erdsystem aktiviert werden, wie z. B. das Abschmelzen polarer Eisschilde. Diese 2°CLeitplanke darf daher nicht zur Disposition gestellt werden.

Handlungsspielraum wird zum Nadelöhr

Seit der industriellen Revolution hat sich die bodennahe Luft im globalen Mittel bereits um 0,7°C erwärmt, in Europa um 1°C. Um gefährliche Klimaänderungen zu vermeiden, müssen die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 etwa halbiert werden. Eine Erwärmung von 2°C droht, wenn die gerade noch als tolerierbar eingeschätzte Kohlendioxid-Konzentration dauerhaft oberhalb von 420 ppm liegt. Bisher stieg die Konzentration jedes Jahr durchschnittlich um rund 1,5 ppm auf heute 380 ppm an. In den letzten beiden Jahren betrug dieser Anstieg etwa 2 ppm. Daher besteht die Gefahr, das zum Klimaschutz notwendige Stabilisierungsniveau bereits innerhalb der kommenden zwanzig Jahre zu überschreiten.

Technologieoffensive beginnen: klare Zielvorgaben und starke Anreize setzen

Die erforderliche Emissionsbegrenzung kann ohne die Förderung und Verbreitung von Technologien zur Energieeffizienz und erneuerbaren Energien nicht erreicht werden. Von herausragender Bedeutung ist die Einbindung von China und Indien in ein künftiges Klimaschutzregime. Insbesondere diesen beiden Staaten sollten umfangreiche Technologieund Umweltkooperationen angeboten werden. Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung zudem, sich im Rahmen der Europäischen Union für eine wirkungsvolle Technologieoffensive einzusetzen, um Beiträge zum notwendigen Umbau der globalen Energiesysteme zu leisten. Eine solche Strategie würde die Vorreiterrolle Deutschlands im Klimaschutz weiter ausbauen und die Technologieführerschaft Europas in einer zentralen Zukunftsbranche sichern. Anstrengungen in diese Richtung sind auch notwendig, um im Wettbewerb mit den USA und auch Japan über die zukünftige Ausrichtung des globalen Energiesystems bestehen zu können.

Geologische Speicherung von CO2 kritisch prüfen

Viele Staaten zeigten sich in Montreal enthusiastisch über die Möglichkeit, das in Kraftwerken und Industrieanlagen entstehende CO2 abzuscheiden und einzulagern, so dass es nicht in die Atmosphäre gelangt. Der WBGU lehnt es ab, das CO2 in Meerwasser einzuleiten, weil hier negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt zu erwarten sind. Außerdem wäre dies keine dauerhafte Lösung, denn das CO2 würde zu schnell wieder in die Atmosphäre zurückkehren. Die Speicherung von CO2 in geeignete geologische Formationen sollte strengen Kriterien bezüglich ihrer Dauerhaftigkeit unterliegen. Diese Techniken sind jetzt noch nicht ausgereift. Bevor die CO2-Einlagerung in größerem Umfang eingesetzt werden kann, müssen die Risiken besser erforscht sein.