Presseerklärung09.06.2005, Berlin

Keine Entwicklung ohne Umweltschutz

Politikpapier zum Millennium+5-Gipfel

Auf dem Millennium+5-Gipfel im September in New York stehen das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) und die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen auf dem Prüfstand.

Der Gipfel bietet die Chance, die internationale Armutsbekämpfung neu auszurichten und eine Reform der UN anzustoßen. Aus Sicht des WBGU werden bei der Armutsbekämpfung Umweltprobleme vernachlässigt, obwohl sie in vielen Entwicklungsländern die Armut verschärfen. Der WBGU übergibt heute den Bundesministern Edelgard Bulmahn und Jürgen Trittin ein Politikpapier. Darin schlagen die Wissenschaftler vor, wie diese Defizite überwunden werden können.

Armutsbekämpfung und Umweltschutz zählen zu den größten Herausforderungen der Weltgemeinschaft. Menschen die unter absoluter Armut leiden, sind besonders von Umweltveränderungen betroffen. Eine Dürre oder ein Sturm reichen häufig schon aus, damit eine von der Landwirtschaft lebende Familie ihre Existenzgrundlage verliert. Durch den Klimawandel können solche Wetterextreme zunehmen. Hinzu kommen besondere Erkrankungsrisiken durch verschmutztes Trinkwasser oder die Verbreitung bestimmter Infektionskrankheiten durch die Klimaerwärmung.

Armutsbekämpfung und Umweltpolitik verknüpfen

Ohne Umweltschutz sind die MDGs nicht erreichbar. Umweltpolitik ist nach Ansicht des WBGU Voraussetzung für Entwicklung und muss zentrales Element jeder langfristigen Strategie der Armutsbekämpfung werden. Umgekehrt kann auch ohne Entwicklungspolitik der Schutz der Umwelt nicht gelingen, weil Armut häufig zu Raubbau an Umweltressourcen zwingt. Der WBGU empfiehlt, die umweltpolitische Dimension der MDGs zu stärken und weiter zu differenzieren.

Strategische Partnerschaften mit Ankerländern eingehen

Große Entwicklungsländer wie Brasilien, China oder Indien spielen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Dynamik eine Schlüsselrolle für globalen Umweltschutz und für Armutsbekämpfung. Viele dieser sog. „Ankerländer“ greifen zunehmend in das globale Geschehen ein. Ihnen kommt für die künftige internationale Zusammenarbeit daher eine wichtige Rolle zu. Ankerländer können und sollen sich zunehmend an den Kosten von Armutsbekämpfung und Umweltschutz beteiligen. Doch Anreize und Kooperationsangebote durch die Industrieländer – etwa beim Klimaschutz – bleiben wichtig. Durch strategische Partnerschaften mit den Ankerländern sollte verantwortliches umwelt- und entwicklungspolitisches Handeln unterstützt werden.

Architektur der Entwicklungs- und Umweltpolitik reformieren

Nach Auffassung des WBGU kann nur eine übergeordnete Autorität im UN-System den Mangel an Kohärenz verringern und die Durchsetzungsfähigkeit von Zielen einer nachhaltigen Entwicklung stärken. Der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) kann diese Funktion nicht erfüllen. Der WBGU empfiehlt daher, ihn durch einen „Rat für Globale Entwicklung und Umwelt“ zu ersetzen. Dieser Rat sollte auf gleicher hierarchischer Ebene wie der Sicherheitsrat verankert werden. Das neue Gremium soll den strategischpolitischen Rahmen vorgeben und die Aktivitäten der multilateralen Organisationen im Umwelt- und Entwicklungsbereich, einschließlich Weltbank und IWF, koordinieren und auf das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Zudem sollte das UNUmweltprogramm zu einer UN-Organisation aufgewertet werden.

Tatenlosigkeit ist teuer

Mit 200-300 Mrd. US-$ jährlich kann nach Schätzungen des WBGU in der globalen Armutsbekämpfungs- und Umweltschutzpolitik Wesentliches erreicht werden. Hierfür wäre eine stufenweise Verdreifachung der öffentlichen Entwicklungsleistungen erforderlich. Zusätzlich sollten umweltpolitische Finanzierungsmechanismen genutzt werden. Beispielsweise plädiert der WBGU dafür, Entgelte für die Nutzung globaler Umweltgüter einzuführen. Die Kosten der Tatenlosigkeit wären erheblich höher als dieser Finanzierungsbedarf. Der Nutzen des Handelns ist also hoch. Beispielsweise dürfte unterlassener Klimaschutz zu Schäden führen, die mindestens das Zehnfache der Kosten der Emissionsvermeidung ausmachen. Investitionen in das Gesundheitswesen der Entwicklungsländer können ein Sechsfaches an „wirtschaftlichem Ertrag“ einbringen.