Presseerklärung20.12.2009, Berlin/Kopenhagen

Ein Ziel – aber noch kein Weg

Der Minimalkompromiss von Kopenhagen

Der Klimagipfel von Kopenhagen ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Einziges substanzielles Ergebnis war eine Erklärung („Copenhagen Accord“), die von den Regierungschefs der wichtigsten Länder ausgearbeitet und von der ganzen Staatengemeinschaft lediglich „zur Kenntnis genommen“ wurde.

Es gab weder den erhofften Aufbruch zu neuen Formen der globalen Zusammenarbeit noch verbindliche internationale Verpflichtungen zur Treibhausgasreduzierung - ganz zu schweigen von Weichenstellungen für den Übergang zu einer klimaverträglichen Weltwirtschaft. Die Europäische Union und die Bundesrepublik konnten sich trotz ernsthafter Bemühungen nicht mit ihren Forderungen nach einem anspruchsvollen Klimaabkommen durchsetzen.

Am Ende des zweiwöchigen Gipfelmarathons steht als einziger Lichtblick eine verklausulierte Anerkennung der 2 Grad Celsius-Leitplanke als Richtschnur aller Klimaschutzbemühungen. Hans Joachim Schellnhuber, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) bezeichnet dieses Ergebnis als „einen tragischen Triumph der Wissenschaft. Die von der Klimaforschung empfohlene Obergrenze für die globale Erwärmung wird einerseits endlich übernommen, andererseits finden die tatsächlich notwendigen Maßnahmen zur Beachtung der Leitplanke (insbesondere Reduzierung der globalen Emissionen um deutlich mehr als 50 % bis 2050) keine Erwähnung. Insofern gibt es ein Ziel, aber die Wege dorthin bleiben noch im Dunkeln“.

Was fehlt

Die Erklärung von Kopenhagen betont zwar die Notwendigkeit, rasch Treibhausgasminderungen einzuleiten, setzt dabei aber ausschließlich auf freiwillige Beiträge zum Klimaschutz, die die Staaten bis zum 1. Februar 2010 konkretisieren sollen. Dazu Schellnhuber: “Dieses Klingelbeutelprinzip, nach dem jeder gibt, was er für angemessen hält, hat schon vor Kopenhagen keine hinreichenden Ergebnisse erbracht. Summiert man die derzeit vorliegenden Klimaschutzangebote aller Staaten auf, dann bewegen wir uns auf eine 3-4 Grad-Welt mit kaum beherrschbaren Risiken zu.“ Daraus folgt, dass die Staaten in den Klimaverhandlungen 2010 kräftig nachlegen müssen, wenn ein gefährlicher Klimawandel noch abgewendet werden soll. Der WBGU unterstützt ausdrücklich die Forderungen von Kanzlerin Merkel und Umweltminister Röttgen, jetzt gerade die nationalen und internationalen Bemühungen um Klima- und Energiesicherheit zu verstärken. In Kopenhagen wurde allerdings wertvolle Zeit für den Klimaschutz verspielt. Eine nüchterne wissenschaftliche Analyse zeigt, dass die globale Trendumkehr bei den Treibhausgasemissionen zwischen 2015 und 2020 geschafft sein muss – ansonsten bleiben kaum noch realistische Chancen, die 2 Grad-Linie zu halten. Dirk Messner, stellvertretender Vorsitzender des WBGU, meint: "Der bisherige Verhandlungsmodus rettet das Klima nicht. Selbst die zahlreich erschienenen Staats- und Regierungschefs konnten die Verhandlungsblockade nicht überwinden. Ohne erneute klimapolitische Kraftanstrengungen besteht die Gefahr, dass die Verhandlungen im kommenden Jahr im Schneckentempo weiterlaufen. Im schlimmsten Fall zerfiele die Welt in Interessensgruppen, die im Klimaschutz eigene Wege gehen. Deshalb ist 2010 ein Neustart in der internationalen Klimapolitik notwendig."

Was zu tun ist

Aus Sicht des WBGU sollten die Bundesregierung und die Europäische Union nun in zwei Richtungen agieren: Einerseits gilt es, Bündnispartner zusammenzuführen, um nächstes Jahr doch noch ein anspruchsvolles Klimaabkommen zustande zu bringen. Als Grundlage für diese Verhandlungen könnte der vom WBGU vorgeschlagene Budgetansatz dienen, ein einfaches, transparentes und gerechtes Konzept zur internationalen Lastenteilung für den Klimaschutz. Chinesische, japanische und indische Klimaberater hatten in Kopenhagen verwandte Ansätze vorgelegt. Der Kerngedanke des Konzeptes besteht darin, ein mit der 2 Grad-Leitplanke verträgliches globales Treibhausgasbudget zu bestimmen und dieses auf der Grundlage gleicher Emissionsrechte für alle Menschen auf nationale „kumulative Kohlenstoffkredite“ herunterzubrechen. Hochemissions- und Niedrigemissionsländer würden bei diesem Ansatz Verschmutzungsrechte gegen Klimatechnologien und Finanztransfers handeln um Spielräume über die Nationalbudgets hinaus zu schaffen. Der Ansatz verbindet ökonomische Effizienz mit einer globalen Entwicklungspartnerschaft und nimmt zugleich alle Staaten, auch die Schwellenländer, in die klimapolitische Verantwortung. Der WBGU argumentiert: „Gerade nach den enttäuschenden Ergebnissen von Kopenhagen müssen neuartige und operationalisierbare Ansätze auf die Verhandlungstische.“

Anderseits müssen nun – gerade wegen des drohenden Schwebezustandes in der internationalen Klimadiplomatie – Nachhaltigkeitsinitiativen von unten verstärkt werden, um den Übergang in eine klimaverträgliche Weltwirtschaft zu beschleunigen. Deutschland und Europa sollten in öffentlich-privaten Allianzen ihre Forschungsanstrengungen und Investitionen hinsichtlich erneuerbarer Energien und klimaverträglicher Mobilitätskonzepte massiv erhöhen. Europäische Städte könnten beispielsweise in internationalen Partnerschaften klimaverträgliche Stadtentwicklungen vorantreiben, insbesondere mit Vorreitern wie Sao Paolo oder Seattle, die bereits anspruchsvolle Klimaziele formuliert haben. Die europäische Entwicklungspolitik sollte klimaverträgliches Wirtschaften zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. Technologie-, innovations- und energieorientierte Klimapartnerschaften mit China, Indien und anderen Schwellenländern könnten forciert werden. Aus Sicht des WBGU sollten auch die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft ihren Druck für eine ehrgeizige und verbindliche globale Klimapolitik aufrechterhalten und damit vor allem die verantwortungsbewussten Regierungen unterstützen. Der WBGU sieht Chancen, auf diesem Weg ein grenzüberschreitendes regionales und globales Netzwerk „klimapolitischer Vernunft“ zu schaffen, in dem öffentliche und private Akteure die Weichenstellungen vorantreiben, zu denen sich die Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen nicht durchringen konnten.