Presseerklärung11.02.2005, Berlin

Ein historischer Schritt: zu kurz, zu spät?

Inkrafttreten des Kioto-Protokolls am 16.2.2005

Das Inkrafttreten des Kioto-Protokolls markiert aus Sicht des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) einen historischen Wendepunkt in der internationalen Klimapolitik.

Zum ersten Mal setzt sich die Staatengemeinschaft bindende und überprüfbare Klimaschutzziele.

Um gefährliche Klimaänderungen tatsächlich zu vermeiden, müssen jetzt allerdings weitreichende Vereinbarungen zur Weiterentwicklung des Kioto-Protokolls nach 2012 ausgehandelt werden. Für sich allein betrachtet ist die Wirkung des Kioto-Protokolls fast vernachlässigbar. Selbst wenn die Industrieländer die bis 2012 vereinbarte Reduktion des Treibhausgasausstoßes um 5% gegenüber 1990 erreichten, würde der durch Menschen verursachte Klimawandel kaum abgeschwächt werden.

Nötig wären sehr viel weitreichendere Emissionsreduktionen in allen Bereichen, etwa auch im Flugverkehr. Die von den G7- Finanzministern diskutierte Kerosinsteuer würde einen Schritt in die richtige Richtung bedeuten. Emissionsabhängige Entgelte auf die Nutzung des Luftraums durch den Flugverkehr wären nach einer Studie des WBGU hinsichtlich der gewünschten Klimawirkung aber deutlich wirkungsvoller als eine Kerosinsteuer.

Gefährliche Klimaänderungen nur durch ehrgeizigere Klimaschutzziele vermeidbar

Der klimapolitische Spielraum hat sich in den vergangenen Jahren weiter verringert. Seit Beginn der Industrialisierung hat sich die globale Mitteltemperatur bereits um mehr als 0,6°C erhöht. Bei einer Erwärmung um mehr als 2°C und einer Änderungsrate von mehr als 0,2°C pro Jahrzehnt werden gefährliche Auswirkungen des Klimawandels sehr wahrscheinlich. Solche Auswirkungen sind beispielsweise die Zunahme von Dürren oder Hitzewellen mit der Folge von Ernteausfällen oder ein Anstieg des Meeresspiegels, durch den Küstengebiete gefährdet werden. Zudem sind mit Seite 2 von 3 Klimaänderungen erhebliche Kosten verbunden, die weit über denjenigen des Klimaschutzes liegen können.

Eine Erwärmung von 2°C könnte bereits erreicht werden, wenn die Kohlendioxid-Konzentration dauerhaft oberhalb von 400 ppm liegt. Die heutige Konzentration beträgt etwa 376 ppm. Bisher stieg die Konzentration durchschnittlich um rund 1,5 ppm jährlich an. In den letzten beiden Jahren betrug dieser Anstieg etwa 2 ppm. Daher besteht die Gefahr, das zum Klimaschutz notwendige Stabilisierungsniveau bereits innerhalb der kommenden zehn Jahre zu überschreiten. Neuere Studien haben gezeigt, dass bereits heute ein beschleunigtes Abschmelzen des Eises in Grönland und Teilen der Antarktis festzustellen ist. Satellitendaten zeigen derzeit einen Meeresspiegelanstieg von 3 mm/Jahr, was auf eine Beschleunigung im Vergleich zum durchschnittlichen Anstieg von 1-2 mm/Jahr im 20. Jahrhundert hindeutet.

Eine Klimakonferenz in Exeter, deren Inhalte stark durch WBGUAnsätze mitgeprägt war, hat kürzlich bekräftigt: Gefährliche Klimaänderungen sind noch vermeidbar, aber nur, wenn die internationalen Klimaschutzziele wesentlich ehrgeiziger als bisher vereinbart werden. Insbesondere muss der vom Menschen verursachte Ausstoß von Kohlendioxid bis 2050 global um etwa 60% gegenüber 1990 gesenkt werden. Nach Auffassung des WBGU setzt dies voraus, dass die Industrieländer ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um mindestens 20% verringern. Je früher in Klimaschutz investiert wird, desto geringer werden die Folgeschäden und desto günstiger die Klimaschutzmaßnahmen sein. Global gesehen sind ehrgeizigere Emissionsreduktionen finanzierbar. Sie erfordern allerdings neben dem politischen Willen auch innovative Ansätze zur Umsetzung und Finanzierung.

Aufstrebende Entwicklungsländer einbinden

Entwicklungsländer leiden verstärkt unter den Folgen des Klimawandels, durch die die Bekämpfung von Armut erschwert wird. Da insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien durch steigende Emissionen zunehmend zum Klimawandel beitragen, sollten sie künftig in Verpflichtungen zur Emissionsbegrenzung einbezogen werden. Gleichzeitig stehen die Industrieländer in der Pflicht, ihre eigenen Emissionen drastisch zu senken und durch verstärkte Zusammenarbeit Entwicklungsländer bei der Gestaltung einer nachhaltigen Energiepolitik zu unterstützen.