Blockaden im globalen Naturschutz überwinden
Erstens ist entschlossenes Handeln geboten, um die Naturzerstörung und damit den Verlust biologischer Vielfalt deutlich vermindern. Zweitens soll der Aufbau eines funktionierenden, weltweiten Netzwerkes von Schutzgebieten abgeschlossen und dessen Finanzierung gesichert werden. Drittens soll ein Vertrag ausgehandelt werden, der die Nutzung genetischer Ressourcen global gerecht gestaltet. Die Bonner Konferenz ist die letzte große Biodiversitätskonferenz vor dem Zieljahr 2010. Ein Erfolg der Bonner Konferenz ist daher eine zentrale Voraussetzung, um die Zielmarken zu erreichen.
Nach Ansicht des WBGU steht Deutschland als Gastgeber der Konferenz besonders in der Verantwortung, die derzeitigen Verhandlungsblockaden überwinden zu helfen. Das wird nur möglich sein, wenn Industrie-, Schwellen und Entwicklungsländer auch zwischen den Themen der Konferenz einen Interessensausgleich suchen. Im Einzelnen sieht der WBGU Handlungsbedarf besonders bei folgenden Themen:
Schutzgebiete: fehlende Milliarden mobilisieren
Ein weltweites Netzwerk von Schutzgebieten ist eine entscheidende Voraussetzung, um den Verlust biologischer Vielfalt zu stoppen. Entwicklungs und Schwellenländer beherbergen den größten Teil des wertvollen Naturerbes und dürfen bei seiner Erhaltung nicht länger allein gelassen werden. Die Industrieländer stehen in der Verantwortung, bei der Finanzierung erheblich mehr zu leisten als bisher. Sie müssten pro Einwohner jährlich etwa 20–30 Euro mobilisieren, um die derzeit bestehende Finanzierungslücke zu schließen. Der Nutzen des Biodiversitätsschutzes dürfte diesen Betrag um ein Mehrfaches übersteigen. Die vorhandenen Finanzierungs¬instrumente sind diesen Größenordnungen allerdings nicht gewachsen und müssen weiterentwickelt und gestärkt werden. In Bonn sollte auf diesem schwierigen Weg ein großer Schritt voran getan werden. Der WBGU begrüßt die freiwillige "Life-Web-Initative" der Bundesregierung, mit der bilateral Finanzhilfen für schutzwürdige Gebiete mobilisiert werden sollen. Deutschland sollte als Gastgeber ein Signal setzen und während der Konferenz einen signifikanten finanziellen Beitrag in diese Initiative einbringen.
Tropenwaldschutz verstärken
Jeder Hektar Tropenwald, der vor der Rodung bewahrt werden kann, ist nicht nur ein Plus für die biologische Vielfalt, sondern auch ein Plus für den Klimaschutz. Die natürlichen Ökosysteme, insbesondere die tropischen Wälder, beherbergen den größten Schatz an biologischer Vielfalt. Gleichzeitig stammt etwa ein Fünftel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen aus der Zerstörung dieser Ökosysteme. Die Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz gilt es zu nutzen, nicht zuletzt durch eine intensivere Zusammenarbeit der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention. Daher muss die Bonner Konferenz entscheidend beim Thema Wälderschutz vorankommen, etwa um den illegalen Einschlag von Holz zu verhindern.
Standards für Bioenergie entwickeln
Nutzbares Land wird weltweit zusehends knapper. Ein beschleunigter Ausbau der Bioenergie vergrößert zusätzlich den Druck auf die globale Landnutzung. Damit besteht auch für natürliche Ökosysteme ein erhöhtes Risiko der Zerstörung. Daher wird nicht nur der Ausbau eines Schutzgebietsnetzwerks immer wichtiger, sondern auch die nachhaltige Bewirtschaftung der Kulturlandschaft. Hierfür hat die Biodiversitätskonvention u. a. mit dem ökosystemaren Ansatz wertvolle Prinzipien erarbeitet. Diese Prinzipien müssen jetzt konkretisiert und umgesetzt werden. Auf der Bonner Konferenz sollte damit begonnen werden, Bausteine für Bioenergiestandards zu erarbeiten, mit denen negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt verhindert werden können. Nach Auffassung des WBGU sollten solche Standards allerdings mittelfristig auch für weitere Landnutzungsformen entwickelt werden. Die Arbeitsprogramme zu Landwirtschaft und Wäldern bieten hierfür eine gute Basis. Eine wichtige Herausforderung wird es vor allem sein, u. a. die Bioenergie exportierenden Schwellen¬länder dazu zu bewegen, ihre grundsätzliche Skepsis gegenüber derartigen Standards aufzugeben.
Nutzung genetischer Ressourcen gerecht gestalten
Genetische Ressourcen sind wertvolle Rohstoffe, die zum Beispiel für die Entwicklung neuer Medikamente verwendet werden. Der Zugang zu diesem "Grünen Gold" sollte nicht verstellt werden. Andererseits sollten Gewinne aus dieser Nutzung mit den Herkunftsländern der Ressourcen gerecht geteilt werden. Die Biodiversitätskonvention hat mit den freiwilligen Bonner Leitlinien bereits eine gute Basis für einen solchen Interessensausgleich geschaffen. Allerdings bestehen noch erhebliche Umsetzungsdefizite. Auf der UN-Konferenz muss es nun darum gehen, einen entscheidenden Schritt hin zu klaren, verbindlichen und kontrollierbaren internationalen Regeln zu machen. Auf der Basis solcher Regeln kann der Wert biologischer Vielfalt und auch ihres Schutzes besser sichtbar gemacht werden. Allerdings sollte die von dem internationalen Regime ausgelöste Finanzierungswirkung für den Erhalt biologischer Vielfalt nicht überschätzt werden. Auch beim Thema genetische Ressourcen müssten die Industrieländer den Entwicklungs und Schwellenländern entgegen¬kommen, um Blockaden zu überwinden, so dass die Verhandlungen wie geplant bis 2010 abgeschlossen werden können. Deutschland kann und sollte durch Sicherung einer klaren und einheitlichen EU-Position eine gute Voraussetzung für die Verhandlungen schaffen.