Stellungnahme

Stellungnahme des WBGU zur Gründung der IPBES

Der WBGU ist erstmals 1999 und seitdem wiederholt dafür eingetreten, die internationale wissenschaftliche Politikberatung zum Thema Biodiversität im Rahmen der UN zu verbessern und für dieses Thema ein dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) entsprechendes Gremium zu gründen.


Übersicht

In seinem Gutachten „Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Biosphäre“ wurde folgendermaßen argumentiert (Auszüge aus WBGU, 2000a):

„Die Erfahrungen aus unterschiedlichen Verhandlungsprozessen der internationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik verdeutlichen den Bedarf an fundierter und unabhängiger wissenschaftlicher Beratung. Für die Klimaschutzpolitik erfüllt der IPCC diese Aufgabe. Eine vergleichbare Einrichtung gibt es für die Beratung und Begleitung der internationalen Biodiversitätspolitik nicht. Die Vagheit der wissenschaftlichen Grundlagen, Begriffe und Konzepte, mit denen in den Verhandlungen gearbeitet wird, wird zunehmend zum Hindernis bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Entscheidungen der Vertragsstaaten. [...] 

Das wissenschaftliche Defizit liegt auf zwei Ebenen: Zum einen sind die vorliegenden Erkenntnisse über den Zustand und den Verlust der biologischen Vielfalt, und die Folgen dieses Trends noch unzureichend und lückenhaft. Diese Lücken müssen systematisch identifiziert und aufgearbeitet werden. Gleichzeitig ist die fundierte wissenschaftliche Begleitung bereits politisch bearbeiteter Themen wichtig. Zum anderen fehlt für die Umsetzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in politikrelevante Handlungsoptionen die Integration von naturwissenschaftlicher, sozioökonomischer und juristischer Expertise.“ 

Auch nach mehr als 10 Jahren ist diese Analyse nach wie vor gültig. Der WBGU begrüßt daher die Einrichtung der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES). Dadurch kann eine tragfähige Brücke zwischen Wissenschaft und internationaler Biodiversitätspolitik entstehen. Die Brücke soll dabei nicht als Einbahnstraße funktionieren: Die politischen Entscheidungsträger, z. B. in den internationalen biodiversitätsrelevanten Umweltabkommen, sollen aktuelles, fundiertes und politikrelevantes Wissen zur Verfügung gestellt bekommen, und die Wissenschaftler sollen besser darüber informiert werden, mit welchen konkreten Herausforderungen, Problemen und Ansprüchen die Politikentscheider konfrontiert sind. 

Der WBGU ist gerne bereit, im Rahmen seines Auftrags und seiner Möglichkeiten die Arbeit des IPBES zu unterstützen. 

Aufgaben und Arbeitsweise

IPBES sollte für die internationale Biodiversitätspolitik, vor allem die Konventionen (CBD, CMS, Ramsar, CITES usw.), unabhängige, fundierte, aktuelle und verlässliche wissenschaftliche Politikberatung zu Biodiversität und Ökosystemleistungen zur Verfügung stellen. Er kann auf den Vorarbeiten des Global Biodiversity Assessment (GBA), des Millennium Ecosystem Assessment (MA), des Global Biodiversity Outlook (GBO) und des Projekts The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB) aufbauen. Hier sind bereits Netzwerke entstanden und Methoden erprobt worden, die eine gute Basis für den IPBES bilden können. 

Zum einen sollte von IPBES der wissenschaftliche Sachstand zu Zustand, Ursachen und Wirkungen des Verlusts biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen umfassend aufgearbeitet, übersichtlich dargestellt und in Form einer Synthese zusammengefasst werden; sowohl aus der globalen wie auch aus der regionalen Sicht. Dazu sollte IPBES in der Forschungs-Community gut vernetzt sein und Anstöße geben, aber nicht selbst Forschung durchführen. Zum anderen sollte der IPBES in der Lage sein, aktuelle Fragen und Probleme aus den internationalen politischen Prozessen aufzugreifen, dazu jeweils gezielte politikrelevante Erkenntnisse sowie Optionen für Maßnahmen zu erarbeiten und den zuständigen zwischenstaatlichen Institutionen bzw. Konventionen (CBD, CITES, Ramsar, CMS, UNEP usw.), den Vertragsstaaten, allen interessierten Akteuren sowie der breiten Öffentlichkeit vorzulegen. Der IPBES sollte dabei genug Abstand von politischen Einflüssen haben, um in der Lage zu sein, auf Basis der wissenschaftlichen Sachlage „unbequeme Wahrheiten“ äußern zu können. 

Der WBGU erhofft von der Arbeit des IPBES auch eine Verbesserung der öffentlichen und politischen Wahrnehmung des globalen Biodiversitätsverlusts, insbesondere seiner Größenordnung und Dringlichkeit. Außerdem wird IPBES zu einer besseren Vernetzung der Biodiversitätsexperten weltweit beitragen. Ebenso kann die noch engere Einbindung bzw. Vernetzung der deutschen Forschung in die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft und die bessere Verknüpfung mit konkreten politikrelevanten Fragestellungen erreicht werden, was neue Impulse für die Entwicklung von Forschungsfragen gibt. IPBES kann so zu einem Nexus werden, der das Wissen integriert und die künftige Forschungsarbeit informiert. 

In den Arbeiten des IPBES sollte die Vernetzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen mit den verschiedenen globalen Umwelt- und Entwicklungsproblemen eine besondere Aufmerksamkeit bekommen (Klimawandel, globale Landnutzung, Desertifikation, Fischerei, Wasserressourcen usw.). IPBES sollte von vorne herein den globalen, interdisziplinären und systemischen Blick auf diesen Problemkomplex pflegen, jedoch die regional höchst unterschiedliche und relevante Ausdifferenzierung gleichermaßen mit einbinden („glocal view“). Wegen der großen Bedeutung der regionalen Aspekte in den Biodiversitätswissenschaften sollten nationale Focal Points hochrangig verankert sein, regionale Stakeholder mit einbinden und dem IPBES bei Bedarf zuarbeiten.

IPBES sollte anstreben, dass seine Veröffentlichungen eine hohe wissenschaftliche Qualität aufweisen. Für die beteiligten Wissenschaftler sollte die Mitarbeit am IPBES als wissenschaftliche Leistung anerkannt und gewürdigt werden, die der individuellen wissenschaftlichen Karriere zuträglich ist. Es sollten erprobte Methoden zur Qualitätssicherung der Arbeit angewandt werden. Dazu gehören die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Arbeit von politischen Einflüssen (daher auch die Anbindung außerhalb der CBD) oder anderen Interessen, transparente Verfahren, die möglichst breite internationale Beteiligung der besten wissenschaftlichen Fachleute ohne Vernachlässigung der regionalen Ausgewogenheit, ein mehrstufiges Peer-Review-Verfahren und anderes mehr. 

Der WBGU empfiehlt, den IPCC als Modell für den IPBES zu sehen, da dieser im Klimabereich weithin anerkannte wissenschaftliche Politikberatung unter Anwendung der genannten Methoden der Qualitätssicherung leistet. Seine Arbeitsweisen und Strukturen sind sicher weiter verbesserungsfähig, bieten aber dennoch ein gutes Vorbild für den IPBES. 

Das WBGU-Gutachten „Neue Strukturen globaler Umweltpolitik“ stellt die internationale wissenschaftliche Politikberatung und die dafür erforderlichen Gremien in den weiteren Kontext der globalen Umweltpolitik (WBGU, 2000b). Der WBGU empfiehlt dort eine „Earth Alliance“, die aus den Segmenten „Earth Assessment“, „Earth Organization“ und „Earth Funding“ besteht. Im Bereich Assessment, also der wissenschaftlichen Politikberatung, sollen neben dem IPCC und einem entsprechenden Gremium für Biodiversität auch wissenschaftliche zwischenstaatliche Ausschüsse für Bodendegradation sowie für die Bewertung globaler Risiken eingerichtet werden. Diese Beratungsinstanzen sollen unabhängig, aber eng vernetzt sein mit den entsprechenden Umweltkonventionen. 

„It is impossible to devise effective environmental policy unless it is based on sound scientific information“. Kofi Annan, Former UN Secretary General

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