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Politikpapier

EU-Wasserpolitik im Aufbruch: Die EU-Wasserresilienzstrategie als Chance nutzen

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Europa leidet immer häufiger unter Trockenheit und Überflutungen, auch weltweit spitzt sich die Situation vielerorts zu. Neue Strategien gegen die Wassernotlage sind deshalb dringend gefragt.


Übersicht

Anfang Juni 2025 hat die EU-Kommission eine Wasserresilienzstrategie vorgelegt. Sie stellt eine Neuausrichtung und Neuvernetzung der EU-Politik zum Thema Wasser dar. Der fortschreitende Klimawandel und die heute bereits angespannte Wassersituation mit einem zunehmenden Risiko von Wassernotlagen in Europa machen diesen Schritt erforderlich.

Die EU-Strategie enthält sehr gute Ansätze, bedarf allerdings weiterer Ergänzung: Bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sollte der gesamten EU-Wasserpolitik, den mitgliedstaatlichen Wasserbehörden und den lokalen Verbänden ein „klimaresilientes Wassermanagement“ als Leitbild dienen. Zentral dafür ist sogenanntes grünes, also im Boden gespeichertes Wasser; Landwirt:innen würden dann auch als Grünwasserwirt:innen fungieren. Die EU-Wasserpolitik sollte zudem stärker als vorgeschlagen Synergien zwischen verschiedenen Politikfeldern wie dem Agrarsektor oder der Industrie herstellen und Anknüpfungspunkte für andere Richtlinien und Verordnungen schaffen. Der WBGU empfiehlt darüber hinaus eine gemeinsame Wasseraußenpolitik der EU und ein intensiveres Engagement für neue Governanceformen auf internationaler Ebene.

Mit der Wasserresilienzstrategie der EU-Kommission werden Erfordernisse eines effizienten EU-Wassermanagements priorisiert und in die EU-Politikbereiche integriert (Europäische Kommission, 2025a). Der Handlungsdruck ist hoch: Mitgliedstaaten sind mit Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, insbesondere mit Wassernotlagen, die Gesellschaften und Ökosysteme destabilisieren. Um ihnen zu begegnen, kann die EU nicht mehr nur auf bestehendes Wissen zurückgreifen, denn die aktuellen Entwicklungen der Niederschläge überschreiten die Schwankungsbreiten der Vergangenheit. Dies führt in der Wasserwirtschaft zu Planungsunsicherheit bezüglich Quantität und Qualität von Wasser.

Klimaresilientes Wassermanagement als neues Leitbild

Kern der EU-Wasserresilienzstrategie 2025 ist ein neues „Wassernutzungseffizienz-zuerst-Prinzip“: Wasserverbräuche sollen reduziert und Wassernutzungen effizienter gestalten werden, unter anderem durch Wasserreycling, bevor zusätzliche Wasserressourcen bereitgestellt werden. Der WBGU empfiehlt, dieses Prinzip um das Leitbild eines „klimaresilienten Wassermanagements“ zu ergänzen, das durch Wirksamkeit und Flexibilität, lokale Machbarkeit, Multifunktionalität sowie soziale Ausgewogenheit und Partizipation gekennzeichnet ist. Der WBGU schlägt vier handlungs- und entscheidungsleitende Kriterien für Auswahl und Ausgestaltung von Maßnahmen für ein klimaresilientes Gewässermanagement vor. Solche Maßnahmen sind:

  1. wirksam und flexibel: Die Wirksamkeit von Maßnahmen sollte im Hinblick auf ihre spezifischen wasserbezogenen Ziele und ihren Beitrag für die Wiederherstellung eines klimaresilienten Landschaftswasserhaushalts beurteilt werden. Dafür sind verschiedene Zeitskalen relevant. Strukturen und Prozesse im Wassermanagement sollten akteursübergreifend und korrigierbar gestaltet werden, um den fortdauernden Veränderungen gerecht zu werden.
  2. lokal machbar: Die lokale Machbarkeit von Maßnahmen sollte kontextspezifisch bewertet werden, abhängig von verfügbaren Ressourcen und Kapazitäten, auch in langfristigen Planungen. Potenzielle Zielkonflikte, zum Beispiel in Bezug auf Flächennutzung, sollten beachtet werden.
  3. multifunktional: Maßnahmen sollten, soweit möglich, multifunktional ausgelegt sein und Funktionen von Wasser für Menschen und Ökosysteme adressieren. Sie sollten ökologische, gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Mehrgewinne anstreben.
  4. sozial ausgewogen und partizipativ: Nicht intendierte ökologische, soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen sollten durch systemische und transdisziplinäre Ansätze vermieden werden. Partizipative Planung ist ein wichtiger Baustein.

EU-Wasserrecht konsequenter umsetzen

Das EU-Wasserrecht ist fortschrittlich, seine Umsetzung und sein Vollzug sind allerdings mangelhaft. Verstöße gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) werden nicht ausreichend geahndet. Das für Klimaanpassung und Pflanzenwachstum relevante grüne Wasser deckt die WRRL nicht als Schutzgut ab. Auch werden die Erfordernisse des Gewässerschutzes bisher nicht ausreichend in andere Politikfelder integriert. Ein gut etabliertes klimaresilientes Wassermanagement kann die Umsetzung des EU-Wasserrechts befördern und damit das Umsetzungs- und Vollzugsdefizit im Wasserbereich reduzieren.

Die EU-Kommission wird im Dialog mit den Mitgliedstaaten Prioritäten für die Umsetzung ihrer neuen Wasserresilienzstrategie setzen. Zusätzlich sollte sie in einer Mitteilung erläutern, wie das hier vorgeschlagene Leitbild eines klimaresilienten Wassermanagements in die Umsetzung der WRRL integriert werden kann. Die EU-Kommission sollte mitteilen, dass und wie Wasserbehörden und selbstorganisierte Verbände dem ungenügenden Vollzug der WRRL durch Umsetzung eines klimaresilienten Wassermanagements abhelfen können. Selbstorganisiertes Wassermanagement in den Mitgliedstaaten kann zu einer schnelleren Umsetzung und einem effizienteren Vollzug des Wasserrechts führen. Expert:innen unterschiedlicher Disziplinen und Akteur:innen aus der Praxis liefern wichtigen Input für Planungsentscheidungen. Beteiligungsprozessen kommt insbesondere im öffentlichen Sektor bei der Bereitstellung wasserkritischer und wassersensibler Infrastruktur eine zentrale Rolle zu.

Laut EU-Kommission besteht derzeit eine Finanzierungslücke von mindestens 23 Milliarden Euro jährlich für die Implementierung existierender Wasserrechtsakte. Um dieses Defizit zu verkleinern, soll die Europäische Investitionsbank bis 2027 insgesamt 15 Milliarden Euro für die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen in Bezug auf Wasserresilienz zur Verfügung stellen. Insbesondere der Zugang zu Wasser, die Überwachung der Verschmutzung sowie die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit des Wassersektors in der EU sollen unterstützt werden. Dieser zusätzliche Finanzrahmen ist zwar zu begrüßen, muss aber angesichts der Herausforderungen und der hohen Dringlichkeit im Umfang deutlich erweitert und in seiner Laufzeit ausgedehnt werden, da nur wenige Maßnahmen sofortige Wirkung zeigen werden.

Sektorübergreifender Ansatz bringt Vorteile

Für einen umfassenden Schutz von Wasser – sei es im Boden gespeichert oder in Flüssen, Seen und im Grundwasser (blaues Wasser) – ist es erforderlich, das klimaresiliente Wassermanagement sowohl in die Biodiversitätskonzepte als auch in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Industriepolitik der EU, etwa in den Clean Industrial Deal, zu integrieren. Dies ermöglicht Mehrgewinne bei der Umsetzung und Synergien bei der Finanzierung von Maßnahmen.

Ein klimaresilienter Landschafts- und Wasserhaushaltsansatz ist entscheidend, um sektorübergreifende Ziele zu erreichen. Finanzielle Mittel ließen sich aus der GAP mobilisieren, um ein klimaresilientes Wassermanagement zu fördern und gleichzeitig GAP-Ziele zu erfüllen. Landwirt:innen sollten auch als Grünwasserwirt:innen betrachtet und gefördert werden.

Die EU-Biodiversitätspolitik kann ebenfalls mit Wasserpolitik verknüpft werden. So sieht die Wasserresilienzstrategie eine Integration der Wasserresilienz in die nationalen Umsetzungspläne der EU-Wiederherstellungsverordnung vor. Hier sollte zusätzlich grünes Wasser einbezogen werden, als Konkretisierung der bereits von der EU-Kommission erwähnten naturbasierten Lösungen.

Für die Umsetzung des Clean Industrial Deal ist die Verfügbarkeit von Wasser essenziell. Ein klimaresilienter Umgang mit Wasser sollte hierin integriert und in noch zu entwickelnden Finanzierungsmechanismen berücksichtigt werden. Wichtig ist, Akteure der Industrie für das klimaresiliente Wassermanagement zu sensibilisieren. Eine Liberalisierung und Privatisierung der Wasserversorgung birgt Risiken und sollte kritisch geprüft werden. Um eine sichere öffentliche Wasserversorgung zu gewährleisten, sieht der WBGU Staaten als Hüter der Verfügbarkeit und Qualität von Wasser.

 

Gemeinsame EU-Wasseraußenpolitik entwickeln

Über die Vorschläge der EU-Kommission hinaus sollte eine gemeinsame europäische Wasseraußenpolitik angestrebt werden, die ein klimaresilientes Wassermanagement zu ihrem Leitbild erklärt und in zukünftige UN-Wasserkonferenzen einfließen lässt. So könnte die EU Impulse für eine weltweite Klimaresilienz im Wasserbereich setzen. Die UN-Wasserkonferenzen 2026 und 2028 öffnen Möglichkeitsfenster, um eine globale langfristige Wassergovernance abzustimmen.

Die Entwicklung einer Internationalen Wasserstrategie sollte mit einem Soft-Law-Prozess beginnen. Bestehende und zukünftige Übereinkommen zum Schutz und zur Bewirtschaftung von Wasser sollten auch auf grünes Wasser Anwendung finden; außerdem sollten quantifizierbare Ziele und Berichtspflichten für grünes und blaues Wasser festgelegt werden. Eine Abstimmung mit Verhandlungsprozessen unter internationalen Konventionen (wie UNFCCC, CBD, UNCCD oder die Ramsar Convention on Wetlands) sollte sichergestellt werden. Schließlich empfiehlt der WBGU eine Water-Mapping-Initiative, um drohende regionale Wassernotlagen mit globaler Dimension frühzeitig zu erkennen und entsprechende Informationen in Entscheidungsprozesse einzuspeisen. Sie sollte aus einer Wissenschaftsplattform und einem Expert:innengremium bestehen.

 

Zukunftsszenario für eine kohärente Wasserpolitik

Es gilt, eine Internationale Wasserstrategie zu entwickeln. Entsprechende nationale Strategien sollten kohärent mit ihr formuliert werden und lokal Maßnahmen für ein klimaresilientes Wassermanagement anstoßen, das neben den Kommunen auch alle anderen relevanten Akteure umfasst. Quelle: WBGU